Gestern, am 24.01.2012, haben mehr als 500 Schüler, Lehrer, Eltern – und ja, auch Schulbibliothekare – aus den neun Schulen, die an dem Hamburger Projekt “Schulbibliotheken für alle Schulen” teilnehmen, Bildungsenator Rabe besucht. Ihm wurden tausende Unterschriften mit der Forderung überreicht, er möge sich für den Erhalt der Schulbibliotheken in ihrer bisherigen Form einsetzen. Aber der Reihe nach…
Vorweg, da ich selber am Goethe-Gymnasium in der Schulbibliothek arbeite, nehme ich hier natürlich keinen neutralen Standpunkt ein. Es handelt sich vielmehr um einen Bericht zu den letzten Entwicklungen bei den Hamburger Projektschulbibliotheken. Mit vollen Namen und Bildern einzelner, insbesonderer Minderjöhriger, halte ich mich hier zurück.
Part I: Der Hintergrund
Ursprungsidee des Modellprojektes “Schulbibliotheken für alle Schulen” (in ganz knappen Worten)
Die schwarz-grüne Regierung hat 2008 beschlossen neun Pilotschulen (je drei Grund- und Stadtteilschulen und Gymnasien; teilweise gebunden, teilweise ungebunden Ganztags) mit einer Schulbibliothek auszustatten. Auswahlkriterien waren u.a. soziales Umfeld der Schulen und Ferne zur nächsten Stadtteilbibliothek. Ein wichtige Entscheidungsgrundlage dafür bildete der KESS-Index. Knapp zusammengefasst, wurden drei wesentliche Ziele festgelegt. Erstens die Leseförderung. Zweitens die Unterstützung der Kollegien durch eine Fachkraft bei der, nach den Lehrrahmenplänen geforderten, Förderung der Medienkompetenz der SchülerInnen. Und Drittens die Unterstützung des individuellen und selbstständigen Lernens.
Begleitet wird das Projekt durch ein Evaluationsverfahren, dessen Ergebnisse zum 31.05.2012 als Basis für die mögliche Ausdehnung auf andere Schulen und die Einführung eines Regelbetriebs dienen sollte. Andere theoretische Möglichkeiten wären die Verlängerung der Projektphase oder die Erklärung des Projektscheiterns – jeweils auf Basis der Evaluationsergebnisse.
Entwicklung der letzten Monate und ein Regierungswechsel
Der Regelbetrieb mit allen “Ausbaustufen” (nutzbarer Raum, Regale, Arbeitsplätzen, PCs, Medien, Leihsystem, Katalog etc.) läuft bei den meisten Schulen etwa seit Mitte 2010, also knapp eineinhalb Jahre. Die Bibliotheken sind an allen Schulen mittlerweile gut mit Unterrichtsanbindung, Kursen, speziellen Angeboten und langen Öffnungszeiten mit inidividueller Unterstützung integriert. Noch – definitiv – vorhandene Potentiale werden stetig weiter ausgeschöpft. Die ersten Evaluationsteilergebnisse deuten durchaus auf den Sinn (Defizite bei den SchülerInnen), aber auch auf den Erfolg des Ansatzes hin; jedoch – es sei ausdrücklich gesagt – basiert diese Aussage nur auf den internen “Powerpoint-Zwischenberichten”.
Die SPD-Regierung, insbesondere vertreten durch Ties Rabe (Senator für Schule und Berufsbildung, SPD), betrachtet die Einrichtung der Schulbibliotheken als “Geschenk” der schwarz-grünen Vorgängerregierung an neun privilegierte Schulen, das nicht weiter projektmäßig sonderfinanziert werden soll (sinngemäße Aussage bei einem öffentlichen Bürgergespräch Ende 2011). Andere Schulen seien auch durchaus in der Lage, ihre Bibliotheken und Programme selbstständig zu finanzieren. Diese Argumentation wird sich an anderer Stelle wiederholen.
Selber finanzieren?
Zunächst ist wichtig, dass die Schulen zur vollständigen Eigenfinanzierung der Schulbibliotheken bzw. der Schulbibliothekare (Sachmittel sind ein weit geringeres Problem) in der vorhandenen Form und mit den derzeitigen Rahmenbedingungen nicht in der Lage wären. Es wurden der Behörde jedoch mehrere Vorschläge für z.B. alternative Beschäftigungsregelungen von vielen der Schulen unterbreitet, die aber – nach allem was ich weiß – nicht beantwortet bzw. geprüft wurden. Honorarkräfte können an Hamburger Schulen insgesamt nicht ohne weiteres eingesetzt werden. Wahrscheinlich auch in diesem Zusammenhang findet sich in einem internen Protokoll die Aussage: “Ein Honorarvertrag für Schulbibliothekstätigkeit ist nicht zulässig, die Arbeit in der Schulbibliothek ist keine Honorartätigkeit, da die Tätigkeit alle Kriterien einer sozialversicherungsrechtlich abhängigen Beschäftigung erfüllt“. Selbst wenn man wollte, könnte man also nicht auf diese “günstige” Lösung zurückgreifen. Ein Angebot weit über Pausenöffnung mit Leihbetrieb (so wie teilweise früher) ließe sich damit sicher auch nicht realisieren, es wäre aber wenigstens noch etwas. Zuletzt bleibt die Option der ehrenamtlichen Tätigkeit und ich bin auch überzeugt, an allen Schulen würden sich engagierte Menschen dafür finden. Ich kenne Schulen an denen ehrenamtlich Tolles im Bereich der Leseförderung und auch konkret mit Schulbibliotheken geleistet wird. Allerdings läuft der Betrieb an Ganztagsschulen von 8-17:30 (zmdst. bei uns; die Schulbibliothek hat nur eine Stunde weniger auf)… Von dem ursprünglichen Gedanken entfernt man sich dann sehr weit.
Part II: Protestaktion
Wenn es einen Ort ohne Geheimnisse gibt… (Schülerprotest regt sich)
An dieser Stelle kann ich im wesentlichen nur für das Goethe-Gymnasium sprechen. Wie sich das insgesamt herumgesprochen hat, kann ich kaum mehr nachvollziehen, aber ein Flurgespräch oder mit einzelnen Schülern kann schnell verbreiten und teilweise gab es auch Kontakt unter den Schülern der Schulen. Anfangs wurde ich noch oft gefragt, ob ich jetzt “gefeuert” werde oder ob die Schulbibliothek wirklich geschlossen werden müsse. Bei der Frage, ob “gefeuert” der treffende Begriff ist, konnten ja auch die Schulbibliotheksressourcen helfen, die zweite konnte ich nur ausweichend mit “vielleicht wird zukünftig nur noch in den großen Pausen an einigen Tagen geöffnet sein, so wie früher” antworten.
Später liefen dann fröhliche Gesichter an mir vorbei und teilten mir mit, sie hätten “auch” schon unterschrieben. Es hat ein Weilchen gedauert, bis ich mitbekommen habe, dass Nils aus der 6. Klasse eine Unterschriftensammelaktion gegen die Schließung der Bibliothek gestartet hatte. Auch zu einer Vollversammlung des Lehrerkollegiums ist er alleine gegangen und hat gesammelt. Unterstützung hatte er durch die “Umwelt-Ranger” der Schule, aber ich war schon sehr beeindruckt, dass ein Sechstklässler so engagiert und organisiert ist. Am Ende waren es mehr als 600 Unterschriften (wir haben 750 Schüler).
An anderen Schulen sammelten die Schüler auch aus eigener Initiative und es tauchte die Frage auf, wo man es denn in welcher Form hin schicken solle…
Das Aktionsbündnis Schulbibliotheken
Daraufhin bildete sich das Aktionbündnis Schulbibliotheken, das aus Lehrern, Eltern, Schülern und einmal mehr auch aus uns Schulbibliothekaren bestand. Außerdem war auch der Betriebsratvertreter einer Schule dabei, der mit seiner Erfahrung mit Rat und Tat wichtige Unterstützung leistete. Unsere Ideen (die der Unerfahrenen) von einer großen Demo wurden abgelöst durch die Überlegung, dass ein einfacher Besuch bei dem obersten Entscheidungsträger – Herrn Rabe – verbunden mit einer gemeinsamen Unterschriftenübergabe aller Schulen, die sinnvollere Alternative wäre. Zugleich sollte die Forderung nach einer konkreten Lösung Nachdruck verliehen werden. Durch die Verbindungen eines Schülers konnten wir auch die Hürde nehmen eine Pressemitteilung mit Sperrvermerk zum eigentlich Besuchstag über einen Verteiler herauszugeben.
Die Schüler sind kreativ
An den Schulen wurde kommuniziert, dass, wer will, uns begleiten könne. (Gedanken zu Kommunikation allgemein an Schulen überspringe ich an dieser Stelle einmal, insgesamt drang die Nachricht jedenfalls durch). Abgesehen vom Willen, musste natürlich die Bedingung erfüllt sein, dass keiner schwänzt, wodurch viele nicht mit konnten, die gewollt hätten. Kurz vor den Zeugnissen, während des Abiturs oder der Realschulprüfung gab es natürlich noch viele gute andere Gründe – einen guten Zeitpunkt gibt es aber nie.
An allen Schulen wurden tolle Plakate oder Transparente erstellt. Dafür haben sich Lehrer, Eltern und Schüler teilweise in der Bibliothek getroffen, aber eine ganze Menge haben auch zu Hause noch etwas gemacht und es wurde mehr als die Zeit in einer Freistunde investiert. Dahinter steckten viel Motivation, Überzeugung und eigene Überlegungen der Schüler. Was kann man sich an einer Schule mehr wünschen?
Dienstag 14:00 auf dem Weg zur Bildungsbehörde und Herrn Rabe
Bevor es los ging, wurde ich von einer Vertreterin der Elternkammer angerufen, die noch Informationen haben wollte, da eine eigene Stellungsnahme herausgegeben werden sollte. Überhaupt gab es noch sehr viele Anrufe an diesem Morgen, aber offensichtlich konnten alle Fragen und Probleme geklärt werden (schon bis zu diesem Punkt, habe ich in dem ganzen Prozess jedenfalls sehr viel gelernt).
Kurz vor 14 Uhr trafen wir uns dann vorm Schultor, gespannt, wer denn nun kommen würde. Eine genaue Zahl haben wir nicht, aber der Bahnwagen war schon voll. Persönlich fand ich grandios, dass viele Klassenstufen vertreten waren, nicht nur die “Kleinen”, sondern auch die “Leseknicker”. Die übrigens sehr sehr gut miteinander auskommen, eine Sache, die mir häufig auffällt, auch weil am Anfang des Projektes über abgetrennte Bereiche älter/jünger in der Bibliothek nachgedacht wurde – das wäre unterm Strich ein echter Fehler gewesen (selbst wenn Platz nicht ohnehin Luxus wäre). Ich schweife ab… Die Stimmung war jedenfalls gut und viele sagten, dass sie das Gefühl hätten, etwas sinnvolles zu tun. In leicht gedehnter Schlange ging es zur Bahn und Richtung U Mundsburg. Auf der Fahrt wurden noch letzte Unterschriften gesammelt und einige übten noch pfiffige selbst ausgedachte Reime.
Ankunft in Mundsburg und der Besuch
Vor der Station Mundsburg wurde es dann etwas wuseliger, weil man mit den anderen Schulen zusammentraf. Der Eingang zur Behörde für Schule und Berufsbildung liegt gegenüber im (ja im) Einkaufszentrum. Wir wussten bereits, dass Herr Rabe persönlich anwesend wäre. Morgens hatten wir unseren Besuch telefonisch angekündigt, aber anscheinend wusste Herr Rabe schon früher Bescheid und hatte sogar für uns einen Termin abgesagt. Wir wussten auch, dass der NDR kommen würde, der aber nur außerhalb des Einkaufzentrums drehen durfte, da wir unseren Besuch nicht bei dem Zentrum selbst angekündigt hatten. Auf dem kleinen Platz vor der Drehtür des Einkaufszentrums sammelten wir uns und sorgten mit unseren Plakaten und Ausrufen für Aufsehen – auch vor der Kamera des NDR.
Der lange Marsch zu der Institution wurde schließlich durch die Haupteingangsdrehtür angetreten, keine leichte Sache mit mehreren hundert Menschen – irgendwann entdeckten wir dann auch die Hintertür. Der Weg durch das Einkaufszentrum verlief friedlich und unter den neugierigen Blicken der Passanten. Zumindest ein Ladeninhaber verteilte auch geschäftstüchtig Gutscheine. Vor dem Eingang der Hausnummer 31 auf der 1. Etage versammelten sich der Trupp und skandierte mit Chorrufen wie “Wir wollen unsere Bücher”.
Unter Führung unseres Pressesprechers, Herrn Speth, fuhren die Delegierten der Schulen in den 17. Stock zu Herrn Rabe zur Übergabe der Unterschriften. Für das Goethe-Gymnasium waren das Nils (als Initiator der Sammelaktion) und Paul, der ebenfalls in die sechste Klasse geht. Bei der Übergabe war auch der NDR wieder anwesend:
Herr Rabe bekräftigte das früher Gesagte, also dass eine Sonderförderung gegenüber anderen Schulen unfair sei, die es schließlich häufig selbst schafften ihre Bibliotheken aufzubauen und zu betreiben. An dieser Stelle bricht die Kamera ab, jedoch wurde berichtet, dass er auf weitere Nachfragen eher ausweichend reagierte.
Unten wurde währenddessen weiter friedlich gewartet. Als die Delegation herunterkam, ging es noch einmal sehr durcheinander. NDR 90,3 führte Inteviews durch, unter anderem auch mit Nils, der seinen Eindruck wiedergab, Herr Rabe hätte nur auf oberflächliche Fragen geantwortet und schiene in der Sache wenig bereits, an einer echten Lösung oder einem Kompromiss mitzuwirken, der nicht nur auf Minimalbetrieb hinausliefe. Kurz nach 16h löste sich die Besuchermenge auf. Alles wurde ordentlich hinterlassen. Ein paar Schüler unterhielten sich noch mit den Polizisten, die durchwegs einen freundlichen und interessierten Umgang pflegten. Am Ende standen wir noch zu fünft mit zwei Polizisten in der Nähe. Ihrer Frage, ob wir noch zu der Versammlung gehörten, war zu entnehmen, dass sie erst Feierabend machen dürften, sobald wir los gingen…
Resümee zum Besuch
Der Besuch ist friedlich ziemlich geordnet, aber auch bestimmt gelaufen. Das Ergebnis war für die Beteiligten nicht befriedigend, aber die gesamte Aktion hatte auch in anderer Hinsicht sehr positive Aspekte. Eine Elternratsvertreterin fasst es sehr schön so zusammen:
“[Es] freut mich aber ganz besonders – und das macht die Aktion auch so lohnenswert – dass gerade unter den mitfahrenden Schülern eine politische Diskussion angestoßen und auch sehr lebendig weitergeführt wurde. Die Möglichkeiten, sich aktiv in Entscheidungen einzubringen, auch die begrenzten Möglichkeiten zu erfahren und nach Ursachen zu forschen, ebenso Verständnis zu wecken, dass nicht alle ‘doofen’ Entscheidungen zustandekommen, weil die Politiker ‘doof’ sind, sondern die Komplexität der Zusammenhänge zu erfragen – diesen Prozess (mal wieder) anzustoßen, war die Sache allemal wert.
Stolz darf die Schule sicher auch auf die Goethe-Schüler sein, die […] vorbildlich, gesittet und problemorientiert sich der Sache gewidmet haben. Respekt!”
Dem kann ich mich nur anschließen. Überhaupt ist auch der Austausch mit den Schülern, bei dem wir alle immer mal wieder über unseren jeweiligen “Tellerrand” gucken können, eine sehr schöner Aspekt, den ich zu Beginn der Stelle so nicht vermutet oder erwartet hätte.
Part IV: Das Pressecho
Mehr oder minder nachdem sich die Tür hinter uns schloss, veröffentlichte die Behörde für Schule und Berufsbildung (BSB) um 17:15 die Pressemitteilung Pilot-Schulbibliotheken sollen mit Budgets der Schulen fortgeführt werden. Das lässt das ganze beinah wie einen Erfolg klingen. Das Nordmagazin gibt weitgehend nur die Position des Senators wieder und auch das Hamburger Abendblatt geht im Artikel Aufforderung des Senats: Schulen sollen Pilot-Bibliotheken selbst bezahlen nicht weit darüber hinaus. In einem kurz danach (bisher nur online gesichteten) Artikel, stellt die selbe Journalistin die Ida-Ehre-Schulbibliothek vor, verbunden mit der Frage Eimsbüttel: Droht Bruchlandung für Pilotprojekt Schulbibliothek?. Noch weitaus kritsischer berichtet die Journalistin Dr. Mareile Kirsch, die auch an dem Tag anwesend war, in ihrem Blog: Proteste vor der Schulbehörde: Schulsenator wirbt in Berlin für Kultur an Ganztagsschulen und streicht in Hamburg Stellen an Ganztags-Schulbibliotheken – ein sehr pointierter Titel und ein guter Artikel. Der bibliothekarische Blog netbib spricht von Römischer Politik: Teile und herrsche!.
(Die aktuelle Sammlung aller Pressemeldungen kann hier heruntergeladen werden: pressemappe-phs.pdf.)
Part V: Das Ergebnis, wie geht es weiter?
Gegenargumente oder Gegenfragen
Dieser Teil bezieht sich vor allem auf die “Hintergrund”-Argumente der Pressemitteilung der BSB, die im letzten Abschnitt genannt wurde.
Solange die Kosten der beherrschende Aspekt sind, ist der Argumentation von Herrn Rabe in diesem Punkt nicht viel entgegenzuhalten. Wichtiger ist es aber, den Fokus auf die Idee zu lenken, wonach die Erfüllung der Rahmenplananforderungen, insbesondere im Punkt Medienkompetenz, ein wesentliches Ziel war/ist. Das kann ein Wahlplfichfach wie Informatik nicht alleine für alle gleichermaßen realisieren. Ebenso wenig können es die Pflichtfächer neben dem regulären “Programm” leisten – zmdst. nicht ohne weiteres. Das kann auch eine Bibliothek – oder etwas hipper “Multimediazentrum” – nicht allein, aber sie kann ein sinnvoller “Hub” in einem (am Goethe-Gymnasium in Arbeit befindliches) Spiralcurriculum sein, wo Kooperationen mit der Lehrerschaft gleichermaßen vorgesehen sein müssen, wie die individuelle Einzelarbeit außerhalb des Unterrichts. Hinzu kommt natürlich auch die Leseförderung, die gerade an den Grundschulbibliotheken ein großer Schwerpunkt ist, und der m.E. (gerade in Deutschland) sehr wesentliche Punkt der Chancengleichheit; nicht alle haben Bücher, Rechner, Drucker oder einen Arbeitsplatz zu Hause. Hinzu kommt auch, dass das selbstständige Lernen zunehmend an Bedeutung gewinnt, was aber nicht bedeuten kann, dass zusätzliche Hilfe nur erhält, wer von Haus aus gut versorgt ist. Die Schwerpunkte sind für Primarschulen und weiterführende Schulen sicher – teilweise stark – unterschiedlich gewichtet. Dies sind auch nur einige, aber wesentliche Punkte, die für die Idee des Projekts sprechen. Wird aber mit Bibliothek insgesamt vor allem die Vorstellung eines “Raums mit Büchern” verbunden (und das scheint bei Herrn Rabe der Fall zu sein), der sich in das System Schule nicht zielgerichtet integriert, dann wirkt Herr Rabes Argumentation grundsätzlich nicht so verkehrt. Andernfalls aber müsste man (er) die besseren/günstigeren Alternativen dazu erörtern. Vielleicht welche, wo man nicht wieder ganz von vorne ansetzen muss.
Das zweite wesentliche Argument ist die Frage nach der Gerechtigkeit gegenüber anderen Schulen. Die Frage lässt sich sich nicht einfach abhandeln, denn man kann “normale” Halbtagsschulen nicht in einen Topf mit gebundenen und ungebunden Ganztagsschulen (alle Projektteilnehmer sind Ganztagsschulen) werfen. Ebenso kann man – zumal als SPD-Politiker (?) – nicht völlig die Basis für die ursprüngliche Auswahl der Piloten ignorieren, die sich an sozialen Rahmenbedingungen der Schulen ausrichtete. Natürlich nennt das Projekt als Ziel, dass alle Schulen eine Schulbibliothek erhalten sollen, sofern das Konzept sich als sinnvoll erweist. Damit, dass ich an dieser Zielvorstellung der Ausdehnung des Projektes festhalte, ecke ich immer wieder an. Im Kern meine ich natürlich nicht, dass – wie Herr Rabe das darstellt – von einen auf den anderen Tag 300 Schulen eine Schulbibliothek erhalten sollen. Dennoch halte ich es für sinnvoll, dass die Erfahrungen von Etwas, das erfolgreich und sinnvoll ist, an andere weitergegeben wird, statt jeden das Rad wieder neu erfinden zu lassen. Sofern es wirklich sinnvoll ist, und da ist durchaus eine Priorisierung nach z.B. Ganztagsschulen und/oder sozialem Umfeld denkbar, dann ist es absurd, wenn es quasi aus Prinzip und mißverstandenem Gerechtigkeitsempfinden nicht gefördert, unterstützt oder standardisiert wird.
Prioritätensetzung war auch ein wesentlicher Grundsatz, dem Herr Rabe folgen wollte. Soweit ich mich korrekt an seine Ausagen bei “Senator vor Ort” im Kurt-Körber-Gymnasium letztes Jahr erinnere. Die Frage ist also, was lehnt Herr Rabe eigentlich ab. Die Projektidee auf Basis eingehender Beschäftigung damit oder nur die Vorstellung eines teuer beaufsichtigten Raums? Wie werden Prioritäten gesetzt, wenn nicht erst Ergebnisse geprüft werden (in diesem Fall die noch ausstehenden Evaluationsergebnisse)? Wie kann eine Pressemitteilung der an dem Projekt teilnehmenden Behörde behaupten, dass “das Vorhaben zur Einrichtung von 9 Schulbibliotheken in sozial belasteten Stadtteilen […] von Anfang an nur auf drei Jahre befristet [war]. Denn der Hamburger Haushalt verfügt nicht über die Mittel, um ein solches Projekt dauerhaft zu betreiben”. Natürlich sollte es nie ein ewig währendes Projekt werden, sondern eine Überführung in einen Regelbetrieb geben. Für diesen Regelbetrieb müssen nur auch durch Schulen umsetzbare Rahmenbedingen – nicht nur fianzieller, sondern auch rechtlicher und organisoatorischer Art – geschaffen werden; genauso wie das in anderen Feldern, z.B. der Inklusion und Betreuerstellen der Fall war/ist. Eben auch weil es sich um ein Projekt handelt, das seine Ergebnisse nachvollziehbar machen wollte (und will), sind die Initialkosten natürlich höher als ein Ausbau auf Basis der gewonnen Erkenntnisse es wäre. Ohne zu sagen, dass es ein Schnäppchen wäre.
Diese Fragen sind alle unbeantwortet. Es ließen sich sicher noch mehr formulieren, aber für mich wären diese zunächst die entscheidenden. Im Grunde kann ich nur für mich sprechen, aber ich glaube die anderen Schulbibliothekskollegen würde mir zustimmen: Keiner wäre glücklich, wenn die Evaluation gegen das Projekt spricht, aber das müsste man akzeptieren, das war eine Bedingung des Projekts. Stellt die Evaluation einen positiven Befund und eine entsprechend gute Prognose für die zukünftige Weiterentwicklung, dann könnte das Ergebnis in Relation zu anderen Kostenstellen im “Bildungsbudget” betrachtet werden – z.B. in Bezug auf neue Projekte, die erst noch Ergebnisse werden liefern müssen. Zugleich sollte aktiv auf die Vorschläge der Schulen, die ja alle (oder mehrheitlich) den Willen zu Selbstbeteiligung geäußert haben, beachtet, geprüft und unterstützt werden. Keiner verlangt dann eine Ungleichbehandlung, aber eine Priorisierung dessen was vorhanden ist und die sukzessive “Gleichbehandlung” derer, die ebenfalls davon profitieren würden.
Randnotiz
Vor ca. zwei Wochen schickte die BSB eine “Abfrage zur Schulbibliothek” an alle (!) Hamburger Schulen, wo unter anderem Bestand, Öffnungszeiten, Arbeitsverhältnis (und Finanzierung) und spezielle Programmangebote abgefragt wurden. Rücklauftermin war der 17.01.2012. Sollte es da bereits eine Auswertung geben, wäre es sehr spannend zu erfahren, wie sehr das Herr Rabes Aussage stützt, dass viele Schulen das selber schaffen würden (die Aussage ist aber schon älter als die Abfrage). Andererseits fragt der Bogen nicht die primäre Zielsetzung und den Grad der Integration ab – abgesehen indirekt durch die Zeitangaben. Wie auch immer, neugierig wäre ich schon.
Nachhall
Herr Rabe will nun wohl doch, wie bereits lange angekündigt (bzw. einer Schule bereits zu einem Weihnachtstermin versprochen) einer Schulbibliothek einen Besuch abstatten.
Ende…?
Das war wohl einer der längeren Beiträge auf dieser Seite. Ich hoffe, er ist nachvollziehbar und verständlich. Orthographie- und Grammatikfehler, sowie stehen gebliebene halbe Sätze werden nach Veröffentlichung korrigiert 😉
2 Antworten zu “Schüler besuchen Bildungssenator Rabe und fordern den Erhalt ihrer Schulbibliotheken”
[…] Auch in Hamburg gab es […]
Danke für diesen erhellenden Bericht – und auch für die Materialsammlung mit den zahlreichen Presseartikeln