{"id":48,"date":"2006-12-28T19:21:40","date_gmt":"2006-12-28T18:21:40","guid":{"rendered":"http:\/\/blog.verweisungsform.de\/2006-12-28\/keine-initiativenzeitschrift-zensur-in-hamburger-oeb-sasel\/"},"modified":"2022-12-05T00:56:59","modified_gmt":"2022-12-04T22:56:59","slug":"keine-initiativenzeitschrift-zensur-in-hamburger-oeb-sasel","status":"publish","type":"post","link":"https:\/\/blog.verweisungsform.de\/2006-12-28\/keine-initiativenzeitschrift-zensur-in-hamburger-oeb-sasel\/","title":{"rendered":"Keine Initiativenzeitschrift – Zensur in Hamburger \u00d6B (Sasel)?"},"content":{"rendered":"
Zwei B\u00fccherhallen in Hamburg – Poppenb\u00fcttel und Sasel – sollen geschlossen bzw. beim Einkaufszentrum Poppenb\u00fcttel zusammengelegt werden.<\/p>\n
Am 3.12.06 berichtete netbib dazu \u00fcber den Sitzstreik in Sasel<\/a> und wies auf den Artikel Saseler besetzten ihre B\u00fccherhalle<\/a> im Hamburger Abendblatt hin. Zu dem Umstand der Schlie\u00dfung habe ich dort<\/a> bereits kommentiert und auch auf einen Beitrag Wir legen uns quer: Initiative besetzt Saseler B\u00fccherhalle<\/a> der Hamburger Initiativenzeitung (HIZ) hingewiesen.<\/p>\n In dem Blogeintrag gab es damals auch einen interessanten Kommentar von Axel Schaper. Heute ging ein E-Mail mit Hinweis auf einen weiteren Kommentar ein. Soweit ich das den Artikeln entnehme, ist die Haltung der H\u00d6B (genauer wohl deren Leitung), dass es “nicht dem Stiftungsauftrag [entspreche], Parteien und Initiativen die B\u00fccherhallen zur Verbreitung ihrer Zeitschriften zur Verf\u00fcgung zu stellen” (Welt), da damit die Neutralit\u00e4t in Frage gestellt sei (vgl. HIZ). Der TAZ-Artikel Initiativenzeitung in B\u00fccherhallen verboten<\/a> zitiert die Direktorin Schwemer-Martien\u00dfen folgenderma\u00dfe: “Das ist bei uns so \u00fcblich, dass keine politischen Botschaften Dritter bei uns ausliegen”. Interessant auch die Aussage von Vizedirektorin Gr\u00fcttner in der Welt: “Es ging bei dieser Entscheidung \u00fcberhaupt nicht um Inhalte.” Die ganze Thematik erinnert mich an ein Referat zu Zensur in \u00f6ffentlichen Bibliotheken vor 2-3 Semestern. Die Quelllage, eben insbesondere mit dem Schwerpunkt Bibliotheken, zu dem Thema war damals, und scheint mir immernoch, mager zu sein. Eine gute \u00dcbersicht der M\u00f6glichkeiten zur Zensur in Bibliotheken bietet der fast 30 Jahre alter Artikel In Bibliotheken: Zensur, Selbstzensur und Gesinnungsschn\u00fcffelei : Auswirkungen des 14. Strafrechts\u00e4nderungsgesetzes<\/a>. Der Punkt 5 “Erschwerung der Ausleihe bzw. Ausleihbeschr\u00e4nkungen durch Richtlinien” ist dabei auch heute nicht so fern der Wirklichkeit. Bei meinem Praktikum in der TUB Harburg wurde auch ein “Giftschrank” erw\u00e4hnt, wobei ich mir nicht sicher bin, ob dieser jetzt eine Reaktion auf 9\/11 war (Atta studierte ja immerhin an der TUHH) oder schon vorher bestand. Soweit ich mich entsinne ist der Zugang dort auch nur bei nachgewiesenem Foschungsinteresse m\u00f6glich. Solang die Quellen \u00fcber den Katalog erschlossen sind, scheint mir das f\u00fcr bestimmte Quellen bis zu einem gewissen Grad in Ordnung zu sein, aber das “nachgewiesenem Foschungsinteresse” k\u00f6nnte diesen Grad kritisch \u00fcberschreiten. Soweit nur ein abschweifender Gedanke. Jetzt hatte ich den absurden Gedanken, dass es doch einfach m\u00f6glich sein sollte, \u00fcber die Seite der H\u00d6B<\/a> mal schnell gucken zu k\u00f6nnen, was (ob) die Satzung zu dieser Neutralit\u00e4t sagt – insbesondere was sie gef\u00e4hrdet und wie dies formal, ohne inhaltliche Bewertung m\u00f6glich sein sollte. Ich finde sie dort jedenfalls nicht.<\/p>\n Als ich mir jetzt daraufhin mein Referat nochmal durchgelesen habe, bin ich auf den die Dokumentation des Vortrages Eine Zensur findet nicht statt… oder?<\/a> (PDF) Roland Seim gesto\u00dfen (vom dem es auch ein umfassendes und sehr gutes Buch zu dem Thema gibt: Amazon<\/a>). Der erste Satz unter Definition lautet dort “Der Begriff ‘Zensur’ umfasst im Sprachgebrauch zugleich Bewertung als auch Verbot”. Obwohl es eine ganz einfacher Definitionsansatz zur Zensur ist, scheint mir damit der Satz “Es ging bei dieser Entscheidung \u00fcberhaupt nicht um Inhalte.” beinah wie der Versuch einer lehrbuchhaften Verwehrung gegen Zensurvorw\u00fcrfe. Versuch weil man genaugenommen damit nat\u00fcrlich festlegen m\u00fcsste, dass eine Bewertung nur \u00fcber Inhalte stattfindet und nicht z.B. \u00fcber den Herausgeber. Explizit wird aber eine Einschr\u00e4nkung nach eben diesen Herausgebern getroffen, wenn Frau Gr\u00fcttner sagt, dass “Parteien und Initiativen die B\u00fccherhallen zur Verbreitung ihrer Zeitschriften” nicht offen st\u00fcnden (Welt). Es ist sicher ein sehr streitbarer Punkt, ob politisch motivierte Zeitschriften per se keinen Platz in \u00d6B’s haben sollen um die Neutralit\u00e4t zu wahren, aber das lasse ich jetzt mal offen. Viel interessanter ist doch der Punkt nach Zeitschriften von Initiativen in diesem Fall.<\/p>\n Die Zeitschrift hei\u00dft “Hamburger Initiativenzeitschrift” aber sie ist <\/em>keine Initiative, sondern berichtet \u00fcber diese. Im Redaktionsstatut <\/a>findet sich folgende Aussage:<\/p>\n Die hiz ist eine unabh\u00e4ngige und \u00fcberparteiliche<\/strong> [meine Hervorhebung] Zeitung f\u00fcr Politik, insbesondere in den Bereichen Umwelt, Gesundheit, Soziales und Kultur. […] Im Grunde ist es eine Zeitschrift, welche ihren Schwerpunkt auf Initiativen in Hamburg und deren Bekanntmachung setzt, sich dabei aber ausdr\u00fccklich journalistischen Grunds\u00e4tzen verpflichtet. Die “Macher<\/a>” sind dabei, wie mir scheint, erfahrene Journalisten und keine Lobbyisten, Vertreter der mitwirkenden Initiativen oder etwas in der Richtung. Nat\u00fcrlich hat die Zeitschrift eine bestimmte Ausrichtung, aber die kann man auch jeder anderen Zeitschrift (tendenziell) zusprechen. Deswegen scheint mir die Aussage von Frau Schwemer-Martien\u00dfen, dass es sich hier um “politischen Botschaften Dritter” handle in der Form etwas gewagt. Sie erg\u00e4nzt in der TAZ<\/a>, dass wenn die H\u00d6B Flugschriften auslegen, alle Meinungen gleichrangig behandelt werden m\u00fcssten, sie sich aber nicht daf\u00fcr rechtfertigen m\u00f6chte, dass dann auch rechtslastige Publikationen ausliegen k\u00f6nnten. Wahrscheinlich ist dieses Argument so alt wie der erste Gedanke, aber wir leben in einem Rechtsstaat in dem der Grundsatz gilt, dass keine Zensur stattfindet oder genauer: keine Vorzensur:<\/p>\n >”Verboten sei nur die Vorzensur als staatliches Genehmigungsverfahren, das sich auf den geistigen Inhalt eines Presse- oder Filmerzeugnisses erstrecke […]
\nDort mach Herr Schaper darauf Aufmerksam, dass die Auslage der HIZ in der H\u00d6B untersagt<\/a> wurde. Als Quellen dazu nennt der die Artikel der HIZ (Hamburger \u00d6ffentlichen B\u00fccherhallen: HAMBURGER INITIATIVENZEITUNG verboten<\/a> vom 22.12.06) und der Welt (Streit \u00fcber Zeitschrift: Gewerkschaft wirft B\u00fccherhallen “Zensur” vor<\/a> vom 23.12.06).<\/p>\n
\nDie HIZ, \u00fcber deren Herausgeber Ralf Flechner, hingegen stellt fest, dass sie \u00fcberparteilich sei und damit die Neutralit\u00e4t nicht gef\u00e4hrde (lt. HIZ). Au\u00dferdem wei\u00dft der HIZ-Artikel darauf hin, dass die Genehmigung zur Auslage auf dem Amtsweg erwirkt worden sei.<\/p>\n
\nNach diesem kleinen Ausrei\u00dfer zur\u00fcck zum Titel. Hinsichtlich der Frage, ob hier eine Zensur stattfindet, scheinen mir zwei Aussagen interessant zu sein. Zum einen wird auf die Neutralit\u00e4t, im Sinne des Stiftungsauftrages der H\u00d6B, hingewiesen und zum anderen gesagt, dass es bei dieser Entscheidung \u00fcberhaupt nicht um Inhalte gegangen sei.<\/p>\n\n
\nDie Zeitung bem\u00fcht sich um wahrheitsgetreue Berichterstattung; sie gibt den Beitr\u00e4gen ihrer RedakteurInnen und AutorInnen aus Initiativen und Verb\u00e4nden besonderes Gewicht. […]
\nDie Redaktion informiert die Hamburger B\u00fcrgerinitiativen, B\u00fcrgerorganisationen und -vereine, Naturschutz- und Sozialverb\u00e4nde, Gewerk-schaften (kurz: HH Inis) regelm\u00e4\u00dfig \u00fcber geplante Erscheinungstermine und vorgesehene Themen.
\nDie HH Inis versorgen die Redaktion mit Berichten, Daten und Fakten, Bildmaterial \u00fcber aktuelle Ereignisse, geplante Termine und anstehende Veranstaltungen aus ihrem Stadtteil, ihrem Konfliktfeld. Die Redaktion bereitet diese Informationen journalistisch auf<\/strong> [meine Hervorhebung] und bringt sie neben den eigenen und Hamburg weiten Themen ins Blatt.<\/p><\/blockquote>\n\n
\nDie Verfassung kann mit diesem kategorischen Verbot jeder Zensur nur die Vorzensur gemeint haben. Ist das Geisteswerk erst einmal an die \u00d6ffentlichkeit gelangt und vermag es Wirkung auszu\u00fcben, so gelten die allgemeinen Regeln \u00fcber die Meinungs- und Pressefreiheit und ihre Schranken, wie sie sich aus Art. 5 Abs. 1 Satz 1 und 2 sowie Abs. 2 GG ergeben. Diese w\u00fcrden gegenstandslos, wenn das Zensurverbot auch die Nachzensur umfa\u00dfte, d. h. Kontroll- und Repressivma\u00dfnahmen, die erst nach der Ver\u00f6ffentlichung eines Geisteswerkes einsetzen.”<\/p>\n